somatic experiencing

Somatic Experiencing – Trauma-Arbeit nach Dr. Peter Levine

„Was ihr nicht erfühlet, ihr werdet es nicht erfahren.“ -Johann Wolfgang von Goethe.
Was ist Trauma:

Trauma ist nicht im Ereignis, sondern im Körper, im Nervensystem.
Trauma ist ein Verlust an Vertrauen zu sich und anderen, zur Welt.
Trauma ist ein Verlust an Sicherheit und Kontrolle, an Selbstwahrnehmung, an „Ich, Selbstbild, Selbstbestimmung“.
Trauma ist ein Verlust an Freude, Spontanität, Leichtigkeit, Lebendigkeit, Orientierung, Halt, Struktur.

Trauma ist ein Verlust an Belastbarkeit (Resilienz = individuell, dynamisch und vom Kontext abhängig), Flexibilität, Beweglichkeit, Beziehungsfähigkeit.
Trauma zeigt sich durch Verdrängung bestimmter belastender Inhalte (Trigger) und durch Anpassungsstrategien (coping strategies).

Wie ist Trauma?

Es ist wie ein Betäubungsgefühl mit eventueller Bewusstseinseinengung und einer Unfähigkeit, weitere Reize zu verarbeiten. Es ist Rückzugsverhalten und unkontrollierte emotionale Erregungszustände, von vegetativen Fehlregulationen (z.B.: körperliche Empfindungen des Wieder – Erlebens) bis hin zur Amnesie.

„Ein Trauma ist im Nervensystem gebunden. Durch einschneidende Ereignisse hat das Nervensystem seine volle Flexibilität verloren. Wir müssen ihm deshalb helfen, wieder zu seiner ganzen Spannbreite und Kraft zurück zu finden.“ Dr. Peter A. Levine

Traumatische Erfahrungen sind Krisen und somit Bestandteil jeder Lebenserfahrung und daher nichts ungewöhnliches. Sie entstehen nicht nur –wie allgemein angenommen- aus Unfallereignissen. Auch jede emotionale Erfahrung, die uns überfordert kann für uns traumatisch werden.

Der ganzheitliche Ansatz:

Die Technik somatic experiencing (im weiteren Verlauf bezeichnet mit SE) nach Dr. Peter Levine bietet einen ganzheiltichen Zugang zum Mensch und zu seinen Engpässen (Trauma).

Die Verarbeitung von überwältigenden Erlebnissen, Schocktraumata wie Verkehrsunfällen, Stürzen, Operationen, schweren Krankheiten, von Missbrauch, Gewalt und Bedrohung, Verlust eines nahen Menschen oder der Existenzgrundlagen (Arbeit), Naturkatastrophen, Krieg, u.a.m., erfordert bei nachfolgenden Hilfestellungen und Maßnahmen eine besondere Sichtweise und Herangehensweise.

SE bietet die Möglichkeit, mit solchen Erfahrungen besonders behutsam, dennoch in der Tiefe erfolgreich zu arbeiten.

Die Methode:

Die meisten Methoden der Psychotherapie (top-own Ansatz) berücksichtigen körperliche Reaktionen, die während eines bedrohlichen Ereignisses ablaufen, in der Regel nicht in ausreichender Weise. Anders das von Dr. Peter Levine entwickelte Modell (bottom-up Ansatz) zur Überwindung und Integration traumatischer Ereignisse.

Im Gegensatz zur Psychotherapie ist diese Methode im Stande inhaltsfrei zu arbeiten, indem nur der Körper und seine Reaktionen beobachtet, beschrieben und bearbeitet werden.
Ein Wiedererleben der traumatischen Ereignisse aus der Erinnerung, was oftmals zu einer Re-Traumatisierung führt, ist mit SE nicht notwendig.

Die Methode von SE beruht auf Verhaltensbeobachtungen aus der Tierwelt. Der zugrunde liegende biologische Mechanismus geht auf das Jäger-Beute-Verhalten zurück, einem ursprünglichen Reiz-Reaktions-Zyklus mit drei grundsätzlichen und biologischen Optionen: Flucht-, Angriff- und Totstell-Reflex. Diese Muster sind bei allen Wirbeltieren und somit auch beim Menschen natürlich vorprogrammiert.

Wirbeltiere in freier Wildbahn sind zwar häufig lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt, werden jedoch selten nachhaltig traumatisiert. Sie verfügen über angeborene Mechanismen, die es ihnen ermöglichen, die hohe, im Überlebenskampf mobilisierte Stress-Energie wieder abzubauen.

Zwar sind wir Menschen grundlegend mit den gleichen Regulationsmechanismen wie alle Wirbeltiere ausgestattet, doch die Funktionsfähigkeit dieser instinktgeleiteten Systeme (aus dem Stammhirn) sind häufig durch den „rationalen“ Teil unseres Großhirns gehemmt oder sogar außer Kraft gesetzt.
Gemeint sind damit Verhaltens- und Gedankenmuster, die uns anerzogen wurden oder die wir uns angeeignet haben („coping mechanism“-Anpassungsmechanismen).

Dies kann bei uns Menschen dazu führen, dass die vom Körper durch Alarmzustand bereit gestellte Überlebensenergie im Nervensystem nur unvollständig oder verzögert aufgelöst wird.
Der Organismus reagiert in der Folge weiterhin auf die Bedrohung aus der Vergangenheit. In diesem Falle sind die in der Gegenwart zu beobachtenden Reaktionsweisen, (Verhaltensmuster, Überzeugungen, Gedanken und Gefühle) der Person oft noch mit den erschreckenden Erlebnissen der Vergangenheit gekoppelt.

Für die Betroffenen entstehen aus dem Trauma oft verwirrende und auch beängstigende, psychische, sowie somatische Symptome. Diese zeigen sich, eventuell erst Jahre später und in unterschiedlicher Form:

Übererregbarkeit, Überaktivität, jähzornige Wutausbrüche, Ängste, Panik, Depressionen, Gefühle von Entfremdung, Konzentrationsstörungen, Lernstörungen, dissoziativen Zuständen, Ticks, Bindungsprobleme, Sexualprobleme, Schlafstörungen, Erschöpfungszustände, chronische Schmerzen, Migräne, Nacken- und Rückenprobleme, Probleme mit dem Immunsystem oder dem Endokrinum, Burn-Out Syndrom, uvm.

Mit SE gelingt es dem Menschen jene durch das Erlebnis unterbrochenen biologischen Prozesse schrittweise und langsam zu vervollständigen und die Person kann wieder Zugang zu ihren angeborenen, lebenswichtigen Reaktionsmöglichkeiten, wie Orientierung, Flucht, Kampf und Verteidigung, finden.

So kann der Mensch die volle Lebensenergie zurückgewinnen, die zum Zeitpunkt der Überwältigung nicht mehr zur Verfügung stand, bzw. eingefroren wurde.

„Ein Trauma ist im Nervensystem gebunden. Es ist somit eine biologisch unvollständige Antwort des Körpers auf eine als lebensbedrohlich erfahrene Situation. Das Nervensystem hat dadurch seine volle Flexibilität verloren. Wir müssen ihm deshalb helfen, wieder zu seiner ganzen Spannbreite und Kraft zurückzufinden“.
- Dr. Peter Levine.
Das Bewusstsein des Körpers einbeziehen:

Mit SE wird das traumatische Ereignis körperlich und manchmal auch geistig „neuverhandelt“. Dabei ist nicht das Ereignis selbst entscheidend, sondern die Reaktionsweise des Nervensystems, d.h. wie die physiologischen Regulationskräfte des Nervensystems mit der Bedrohung fertig geworden sind.

Es ist eine gesprächsgeführte Reise in die Körperwahrnehmung des Betroffenen, mit der Unterstützung seiner Ressourcen. Diese sind optimaler Weise real erlebte, damit der Klient im Prozess auf das Fühlen und Erleben der Ressource zurück greifen kann. Im Wechsel zwischen Ressource und Körperwahrnehmung kommt die pro-aktive Trauma-Energie von selbst in Bewegung.

Der Trainer beobachtet den Verlauf der Körperreaktionen und leitet mit viel Achtsamkeit den Betroffenen an, seine Aufmerksamkeit in den Körper zu richten und zu beschreiben.

Der Weg, den sich diese Überenergie sucht, zeigt sich meist in unbewussten Bewegungsabläufen des Traumatisierten. Diese Bewegungen werden als erleichternd und erlösend empfunden. Damit der Prozess effizienter und sicherer ist, wird der Betroffene angeleitet, diese Bewegungsabläufe möglichst langsam und bewusst aus zuführen.

In dieser Weise wird die Kontrolle über die Intensität und Schnelligkeit der Entladung behalten und eine Re-Traumatisierung ausgeschlossen.

Der Vorteil dieser Körperarbeit:

Mit SE ist es möglich, ohne Inhalt das heisst ohne bewusste Erinnerung zu arbeiten, da das erlebte Ereignis emotional meist zu belastend erscheint und daher in manchen Fällen nicht mehr in der bewussten Erinnerung auffindbar ist.

Allein durch die vom Trainer angeleitete Aufmerksamkeit in den eigenen, traumatisierten Körper ist es für den Klienten möglich, diese Nervenenergie in Bewegung zu bringen.

Die Lösung der „eingefrorene“ Energie des Traumas aus dem Nervensystem wird in kleinen Dosen „aufgetaut“ und schrittweise kontrolliert zur Entladung gebracht.

Durch das Aufspüren und Wiederbeleben dieser biologischen, körperlichen Abwehrkräfte, entsteht aus dem vom Trauma bedingten Gefühl von Lähmung und Erstarrung ein vertrautes Gefühl von Lebendigkeit und eine Eröffnung von neuen Möglichkeiten und Lebensfreude.
Die tief verankerten Nachwirkungen von Traumata können sich somit schonend auflösen oder sie belasten den Menschen nicht mehr.

Links:
www.traumahealing.com
www.somatic-experiencing.de

www.somaticexperiencing.at